Warum Burnout nicht vom Job kommt

Die wahren Ursachen der Volkskrankheit Nr. 1

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adeo Verlag

Zusammenfassung zu “Warum Burnout nicht vom Job kommt”

Die Hamburger Therapeutin Helen Heinemann hat in ihren Seminaren über 1000 Patienten behandelt und gilt als Expertin für die Themen Stress, Erschöpfung und Burnout. In diesem Buch teilt sie ihre Erkenntnisse, ergründet die Ursachen der Krankheit und verspricht, neue Wege aus der „Burnout-Falle“ aufzuzeigen. In 10 Kapiteln teilt die Therapeutin Beispiele aus der Praxis und argumentiert gegen die populären Vorurteile zum Thema Burnout, die besagen, dass die hektische Gesellschaft, die ständige Erreichbarkeit, schlechte Organisation, böse Chefs, Kollegen oder der Kapitalismus und die Leistungsgesellschaft Schuld ist, dass Menschen ausbrennen. Mit Hilfe von Gegenbeispielen widerlegt Helen Heinemann diese Thesen und zeigt im Laufe der Kapitel auf, wie die Grüne für den Burnout im Inneren zu finden sind, in Doppelbelastungen, in Verwirrungen über Rollen, Verantwortlichkeiten und Erwartungen, die zu Konflikten innerhalb der Partnerschaft und innerer Erschöpfung führen. Im Abschluss des Buches finden sich unter dem Punkt „Geschlechterrollenspiele“, zwei „Fragebögen für Frauen und Männer“ die innerhalb der Beziehung das Verständnis fördern sollen.

Zitate

„Weil die überdimensionierte Leistungsbereitschaft der Burnoutler einer dauerhaften Suche nach Selbstvergewisserung geschuldet ist, erklärt sich, warum es keinen Lebensbereich gibt, in dem der Wille zur Über-Leistung nicht wirkt. Der Drang, das Beste zu leisten, liegt schlicht in der Identität der Menschen begründet. Sie haben keine andere Möglichkeit, sich selbst zu sehen und zu definieren, als allein über ihre Leistungen.“

„In meinen Augen handelt es sich um einen fatalen Gedanken unserer Zeit und speziell der stressgeplagten Menschen, dass alles machbar und planbar scheint, somit auch die Erholung. Wer denkt: Für die Entspannung nehme ich mir erst wieder in der kommenden Woche Zeit, ist von einer Entspannung sehr viel weiter entfernt als nur eine Woche. Er agiert, als sei Entspannung ein Medikament, das er sich nur zu bestimmten Zeiten zuführen muss und das dann von allein wirkt. Bei diesem Vorgehen müssen Entspannung und Erholung theoretischen Vorgaben gehorchen und präzise durch einstudierte Methoden auf den Punkt funktionieren. Der Machbarkeitsgedanke, der dahintersteckt, besagt: ‚Ich mache doch alles richtig, warum bin ich denn nicht entspannt?'“

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Leseprobe beim Verlag

Persönliche Bewertung

Ratgeber mit wenig praktischen Hinweisen vor konservativem Geschlechterbild

2 von 5

Burnout scheint eine Modekrankheit zu sein, oder ist es ein gesellschaftliches Phänomen, das unserer modernen Zeit und Arbeitswelt geschuldet ist? Kaum eine Talkshow, in der nicht mehr oder weniger prominente Ausgebrannte über ihre Erfahrungen berichten. Experten finden unterschiedliche Gründe dafür, meist werden die Schnellebigkeit und der Druck der Arbeitswelt als Schuldige identifiziert. Dass dies zu kurz greift, zeigt Helen Heinemann auf, denn sonst müssten Menschen in anderen Ländern, die weitaus mehr arbeiten, weitaus Burnout-gefährdeter sein und Hausfrauen dürften keinen Burnout erleiden.

Die Ursache ist also nicht (nur) im Außen sondern vor allem auch im Innen zu finden. Gründe könnten mangelnde Rollen, Verwirrung um das eigene Ich dank der modernen Wahlmöglichkeiten oder fehlender Zusammenhalt in der Familie sein. Dieser Ansatz leuchtet in gewisser Weise ein, erscheint jedoch recht eindimensional und die sich wiederholende Kritik an der Gleichberechtigung der Geschlechter, an den sich verwischenden Geschlechterrollen, wirken fast schon obsessiv. „Männlich“ und „weiblich“ – gemäß dem konservativen Rollenbild werden die verschiedene Eigenschaften den biologischen Geschlechtern zugeschrieben, angeblich kämen Männer und Frauen mit unterschiedlichen Voraussetzungen auf die Welt. (Ich empfehle an dieser Stelle die Lektüre der „Geschlechterlüge“!) – eine veraltete und durchaus schon widerlegte Meinung. Hier widerspricht sich die Autorin sogar selbst, wenn sie selbst erkennt, dass Mädchen und Jungen vollkommen unterschiedlich erzogen, also auf unterschiedliche Aufgaben vorbereitet werden.

Hier müsste die Kritik ansetzen: Nicht dass der Mann „unmännliche“ Aufgaben erledigen muss, für die er nicht ausgelegt ist, nein er wurde in seiner Erziehung nicht darauf vorbereitet! Der Widerspruch ist: Es wird erwartet, dass er sich einbringt in Ehe, Haushalt und Kindererziehung, doch er hat dies nicht von kleinauf an gelernt. Anders als die Frau, deren Bestimmung es nach landläufiger Meinung noch immer ist – schließlich kann sie das Kind säugen, der Mann nicht. Die Frau wiederum wird als Hausfrau nicht anerkannt und muss sich Bestätigung im Beruf suchen, es wird sogar erwartet, dass sie dies tut. Sie muss sich also sowohl vermeintlich männlich verhalten, um sich in der Karriere zu behaupten, als auch weiblich, indem sie sich um die Familie kümmert. Erwartungen und Enttäuschungen treffen bei den Partnern aufeinander. Es wird wenig darüber gesprochen. Und hier liegen weitere Fehler, die aber nicht klar genug als solche benannt werden und im letzten Kapitel – von dem man endlich praktische Tipps in der Zusammenfassung und ein Fazit erwarten könnte – fehlen sie vollkommen. Hier geht es nur um die Identitätsfindung. Erst hier gibt die Autorin zu, dass auch sie nicht die Frauen zurück an den Herd schicken möchte, wie es die fünf Kapitel davor den Anschein hatte. Vielleicht soll dieses späte Eingeständnis provozieren, die Spannung erhalten, doch weniger geduldige Leserinnen und Leser werden das Buch spätestens nach der Hälfte verärgert weglegen und nicht bis zur Auflösung lesen. Positiv lässt sich übrigens anmerken, dass „Warum Burnout nicht vom Job kommt“ flüssig geschrieben ist und sich schnell und unterhaltsam lesen lässt, es fehlen jedoch Grafiken oder Auflockerungen.

Um es deutlich zu machen: Die Autorin hat insofern Recht, als dass biologische Männer und Frauen noch immer weitgehend klischeehaft erzogen werden (nicht zuletzt „dank“ Medien wie Büchern, Fernsehen und Filmen), doch dass die Wurzel des Übels die Vermischung der traditionellen Rollen ist, wirkt fast schon zynisch. Wie sieht also die Lösung aus? Um dem Burnout zu entkommen und der Überforderung zu entgehen, kehren wir zu einengenden Geschlechterrollen zurück, als die Welt noch einfach war, die Aufgaben klar verteilt, schön schwarz-weiß? Vor dem Hintergrund, dass der Verlag einen Schwerpunkt auf christliche Literatur (eine Religion, die nicht gerade für ihre zeitgemäßen Geschlechterbilder bekannt ist) legt, wirkt der Tonus des Buches durchaus verständlich. Erfreulicher wird er hierdurch nicht.

Und selbst wenn man Helen Heinemanns Erkenntnisse nicht hinterfragt: Im vorletzten Kapitel kann man als Leser nicht anders, als sich zu fragen: Das ist ja alles schön und gut, aber wie soll mir das im Alltag helfen? Die Kapitel versuchen mit Hilfe von Fragen und des Aufbaus – die „Lösung“ wird bis zum letzten Kapitel hinausgezögert – Spannung aufzubauen. Die versprochenen „neuen Wege“, die praktischen Lösungsansätze fehlen jedoch. Es lässt sich daher leider nicht beschönigen: Als Ratgeber ist dieses Buch vollkommen untauglich, denn es prangert an und endet mit einer gut gemeinten allgemeinen Zukunftsvision, mit der alles besser werden könnte, für den Einzelnen und die Einzelne finden sich jedoch nur sehr vereinzelt praktische Hinweise. Allenfalls lassen sich die vielen Fallbeispiele anwenden, so sie denn auf die eigene Situation passen. Von Lösungen und neuen Erkenntnissen kann also keine Rede sein – der Konflikt aus Rollenerwartungen und -verständnis, Leere und mangelnder Sinn als Gründe für den Burnout – so neu erscheint dieser Ansatz nicht, wie das Buch es glauben machen mag. Die Schuld des Einzelnen, die Ausklammerung der (tatsächlich vorhandenen) beruflichen und gesellschaftlichen Herausforderungen, die wirtschaftliche Verallgemeinerung tragen nicht dazu bei, Betroffenen Hilfe zu leisten.

Die Autorin ist laut Klappentext eine Expertin auf ihrem Gebiet. Das mag im täglichen Umgang mit ihren Patienten stimmen, dieses Buch jedoch trägt wenig zu praktischer Hilfe bei. Und es ist fraglich, ob eine solch konservative Einstellung tatsächlich einen nachhaltigen Beitrag dazu leistet, dass sich der Umgang mit der Gleichberechtigung tatsächlich entspannt. Sind es doch solche Therapeuten und Berater, die Geschlechterklischees verstärken und eben nicht dabei helfen, diese zu überwinden.

Fazit

Ein Buch, das vermutlich mit den besten Absichten geschrieben wurde, das neue Lösungen aufzeigen und zur Eigeninitiative aurufen möchte. Das Ergebnis? Verallgemeinerungen und die Reproduktion von Klischees, die abseits von „political correctness“ weder zeitgemäß noch sachlich haltbar sind. Von einer Expertin für das Thema „Burnout“ hätte man sich deutlich mehr versprochen. Es ist sehr zu bezweifeln, dass dieses Buch irgendeinem Betroffenen wirklich hilft.

ISBN10
3942208563
ISBN13
9783942208567
Dt. Erstveröffentlichung
2012
Gebundene Ausgabe
234 Seiten