Teuflische Schatten

Zwei Frauen gegen die Mara Salvatrucha

Autoren
Verlag
Horlemann Verlag
Anspruch
5 von 5
Humor
4 von 5
Lesespaß
4 von 5
Schreibstil
5 von 5
Spannung
5 von 5

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Zusammenfassung zu “Teuflische Schatten”

„Teuflische Schatten“ erzählt eine Geschichte, die sich so tatsächlich ereignet hat, in unserer Zeit, aber in einem fernen Land, in Guatemala. Erzählt werden die Erinnerungen einer jungen Frau. Sandra, so der Name, erzählt dem Autor Andreas Böhm, der seit über zwanzig Jahren als freier Journalist auf dem amerikanischen Kontinent recherchiert, von sich und aus ihrem Leben. Aus der Geschichte dieses jungen Mädchens werden unversehens viele Geschichten, aber vor allem wird das kämpferische Leben von Sandras Mutter Maria Bernarda präsent.

Die Erzählung beginnt im Jahr 1982. Sandras Familie lebt schon seit Generationen in Palencia, einem kleinem Städtchen, das rund 30 Kilometer von Guatemala Stadt entfernt liegt. Die Kindheit ist zwar von einer gewissen Armut geprägt, aber eingebettet in die ländliche Umgebung und in das Leben einer Großfamilie doch fast als idyllisch zu bezeichnen. Sandra kann den Kindergarten besuchen und die kirchliche Privatschule. Die Feste in dem Dorf werden gefeiert, wie sie fallen, und sind beliebte Höhepunkte im Jahr. Schon als kleines Mädchen nimmt Sandra Männer als Machos und Störfaktoren wahr, vor allem die wechselnden Männer ihrer Mutter und ihrer Tanten. Nur eines scheinen diese Männer den Frauen zu hinterlassen – weitere Kinder, um die diese sich dann zumeist ganz alleine kümmern müssen. 1991 verlässt Sandras Mutter ihre Kinder sogar, um in Guatemala Stadt ein anderes Leben mit einem weiteren Mann anzufangen – und weitere Kinder zu bekommen. Sandra nimmt sich vor, alles anders zu machen. Sie will einen Mann, der sie liebt und achtet. Gerade 14 Jahre geworden, verliebt sie sich in einen Jungen, der noch jünger ist als sie selber – gerade einmal 13 Jahre. Tino, Sandras große Liebe, ist Mitglied bei der Mara Salvatrucha, einer der gewalttätigsten Jugendbanden dieser Welt, die sich seit Jahren wie ein Krebsgeschwür, ausgehend von den Ghettos in den USA, über den lateinamerikanischen Kontinent ausbreitet.

Mit 15 Jahren ist Sandra schwanger und erwartet ihr erstes Kind von Tino. Sie liebt diesen Jungen, und will mit ihm zusammenleben. Die Umstände sind mehr als erbärmlich. Tino nimmt Drogen, verdient kein Geld und schlägt Sandra regelmäßig. Manchmal versucht das Mädchen dem Strudel der Gewalt und Armut zu entkommen, aber eine Sehnsucht treibt sie immer wieder zurück in die Arme des Mareros. Für Sandras Mutter hingegen werden Not und Elend ihrer Tochter zum Erweckungssignal. Sie versucht alles in ihrer Macht stehende zu tun, um ihre Tochter aus dem Umfeld der Mara Salvatrucha Bande herauszuholen. Doch der Weg scheint vorgezeichnet. Im Jahr 2007 muss Maria Bernarda für ihren mutigen Kampf gegen die Mara Salvatrucha bezahlen. Sie wird in ihrem eigenen Haus umgebracht und Sandra ist eine Zeugin. Der Mord an ihrer Mutter wird zu einem Wendepunkt in Sandras Leben. Sie verlässt Tino endgültig, und sagt gegen die Mörder ihrer Mutter aus. Und wird, mittlerweile Mutter dreier Kinder, selbst zur Zielscheibe. Sandras Leben wird zu einem Kampf um das Überleben – in einer völlig verrückten, korrupten und gewalttätigen Welt.

Zitate

„Bald machte ich jedoch eine schreckliche Entdeckung: Erick behandelte unsere Mama nicht nur oft schlecht, sondern er schlug sie auch! Da ich nicht bei ihnen wohnte, bekam ich nur fetzenhaft etwas davon mit, und uns Kindern gegenüber verlor sie nie ein einziges Wort der Klage, aber die blau-grünen Flecken auf ihren Armen und am Hals sprachen eine deutliche Sprache. Ich konnte einfach nicht begreifen, wie sie es an der Seite eines solchen Grobians aushalten konnte. Nun verabscheute ich ihn noch mehr. Sollte ich einmal einen Mann haben, dann einen, der mich liebte und achtete. Das nahm ich mir fest vor.“

„Sie lag in meinem bevorstehenden fünfzehnten Geburtstag, der für ein guatemaltekisches Mädchen eines der wichtigsten Ereignisse seines Lebens darstellt. An diesem Tag wird sie zur Frau und sollte – wenigstens theoretisch – bereit für den Hafen der Ehe und das Kinderkriegen sein.“

„Natürlich änderte sich durch diesen Rückzieher nichts an unserer prekären Situation, doch ich hatte mich fest entschlossen, mein Leben wieder in meine eigenen Hände zu nehmen. Das war ich meinen Kindern, Maria-Jose, aber auch meiner verstorbenen Mutter schuldig. …Ich brauchte frische Luft, weg von unserer deprimierenden Hütte, weg von Großmutter und ihrer ewigen Meckerei. Ich brauchte Zeit, um meine wild durcheinander trudelnden Gedanken neu ordnen zu können. Vor allem aber musste ich die Kontrolle über mich selber zurückgewinnen. Dazu gehörte auch, dass ich mir schwor, von nun an keinen Tropfen Alkohol mehr anzurühren. … Bis spät in die Nacht plauderte ich mit Beba, die mir gut zuredete. Die letzten Jahre hatten uns beiden einen Schnellkurs im Erwachsenwerden beschert. Unsere früheren pubertären Schwärmereien waren unsanft auf dem Boden, auf dem harten Boden der Tatsachen gelandet. Wir hatten mit dem Feuer gespielt und uns dabei gewaltig die Finger verbrannt. Doch wir lebten noch. War das nicht schon Grund genug, dankbar zu sein?“

Persönliche Bewertung

Live-Bericht aus Guatemala: Erschütternd, beeindruckend und voller Lebensmut!

5 von 5

Ein erschütterndes und zutiefst beeindruckendes Buch! Der Autor, Andreas Böhm, vermag es, in einer großartigen Intensität, dem Mädchen Sandra eine Stimme zu geben. Beim Lesen hat man das Gefühl, direkt am Geschehen beteiligt zu sein. Diesen elendigen Strudel aus Gewalt, Armut und Hoffnungslosigkeit live mitzuerleben. Das liegt sicher daran, dass es Andreas Böhm gelingt, die eigentümliche Intonation, den Jargon oder Slang, in dem Sandra spricht und kommuniziert, miteinzufangen und lesbar zu machen. Es liegt auch daran, dass Andreas Böhm nicht wertet – er lässt immer nur Sandra sprechen, über ihre Erlebnisse, aber auch über ihre Gefühle und Gedanken. So erfährt man aus Sandras Munde ihre Sichtweise auf die Welt und die Umstände, in die sie hineingeboren wurde. Und da ist vieles normal, was uns als grausam oder erbarmenswürdig erscheint. Sandra kämpft um ihre Menschenwürde, in einem Land, das von Kriminalität (und Machismo) nahezu verschlungen wird. Und am meisten haben darunter die Frauen und Kinder zu leiden. Wirklich irritierend dabei: Wie schnell die schlimmsten Umstände und Erlebnisse zur Lebens-Realität werden können, und wie es Menschen gelingt, auch dann noch Freude am Leben zu finden und sich nicht aufzugeben. Sandra ist eine Heldin: ihr Mut und ihr Optimismus, der unbedingte Wille, sich ein Leben in Würde zu bewahren, strahlen weit über das Buch hinaus.

Fazit

Live-Bericht aus Guatemala: eine junge Frau erzählt von Liebe und Gewalt, Alltagsleben zwischen Korruption, Bandenkriminalität und Armut. Erschütternd, beeindruckend und voller Lebensmut!

ISBN10
3895023175
ISBN13
9783895023170
Dt. Erstveröffentlichung
2011
Gebundene Ausgabe
298 Seiten

Eine Antwort zu
Teuflische Schatten

  1. Delamuraz Daniel

    Ein­drück­li­che, gut geschrie­be­ne Geschich­te, die unter die Haut geht. Sehr empfehlenswert!

  2. Roger Mentemore

    5 von 5

    Hat mir auch gut gefal­len. Tol­le Beschrei­bun­gen. Was man aus Lie­be alles machen kann!