Spiegelriss (2)

Autoren
Verlag
Arena Verlag
Anspruch
5 von 5
Humor
3 von 5
Lesespaß
5 von 5
Schreibstil
5 von 5
Spannung
5 von 5

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Zusammenfassung zu “Spiegelriss (2)”

Seit Juli herausgefunden hat, dass sie die Tochter einer Phee und damit selbst eine Phee ist, eine der allgemein verhassten und gefürchteten Kreaturen, hat ihr normales bürgerliches Leben ein Ende gefunden. Da sie öffentlich gesucht wird, versteckt sie sich in einem Rudel obdachloser Menschen, die außerhalb der Gesellschaft leben, die sich von Resten in Mülltonnen ernähren und sich stets vor der Polizei in Acht nehmen müssen. Im Rudel ist Juli nur der „Babyfuß“, der Neuling, der hilflos ist. Zum Glück hilft ihr ein Junge namens Kojote, ihre Freunde Ksü und Ivan aufzusuchen. Hier hat Juli jedoch keine Hilfe zu erwarten: Ksü ist dank des Inspiros, der nach dem verheerenden Brand ihr Leben gerettet hat, zu einem seltsamen Wesen mit gespaltener Zunge mutiert. Ivan gibt Juli die Schuld an der Veränderung seiner Schwester und ist nicht bereit, ihr zu helfen.

Also versucht Juli es bei ihren Großeltern, wo sie freundlicher als erwartet aufgenommen wird. Doch der Aufenthalt bei Ingrid und Reto entpuppt sich als Falle: Juli wird von der Polizei abgeholt und ins Dementio gebracht. An diesem berüchtigten Ort wurden seit vielen Jahrzehnten Pheen eingesperrt, um die Allgemeinheit vor ihnen zu schützen. Auch Juli wird in eine Zelle gesperrt und muss Verhöre und Schikanen über sich ergehen lassen. Ihre einzige Hoffnung ist die unverhoffte Hilfe eines Menschen, den sie durch ihre verbundenen Augen nicht sehen kann, der ihr aber wohlgesonnen scheint. Vielleicht gelingt es ihr, mit seiner Hilfe zu entkommen und ihrem grausamen Schicksal zu entgehen? Doch dann entwickelt sich alles ganz anders als gedacht, Juli muss feststellen, dass die Machtverhältnisse zwischen Normalen und Freaks gekippt sind, die Welt jedoch keineswegs besser geworden ist…

Wichtige Charaktere

  • Juliane Rettemi, „Juli“
  • Julis Eltern Dr. Rudolf und Laura Rettemi
  • Julis Großeltern Ingrid und Reto
  • Kojote
  • Ksü und Ivan
  • Professor Melchior

Zitate

„‚Offenbar wollen sie was von dir‘, sagt Kojote.
Ich sehe ihn an. Er hat recht. Sie waren davon ausgegangen, dass ich in der Lage bin, ihnen Dinge zu erklären. Vielleicht haben sie auch noch was anderes von mir erwartet und ich habe es nicht kapiert. Mit jedem Schritt, mit jeder Bewegung weiß ich weniger über mich selbst. Mein früheres Wissen hat eine schrumpfende Halbwertszeit – die Wahrheiten von einst sind die Lügen von heute.“

„Ich bin eine gesuchte Verbrecherin und wahrscheinlich wird meine Entdeckung und Inhaftierung mit großem Tamtam bekannt gegeben und von der Normalität gefeiert. Die Pheengefahr ist mit mir gebannt. Jetzt wird alles besser für die Leute da draußen. Zufriedenheit ist schließlich nur eine Frage der Einstellung.“

Alle Bände der Trilogie

1. Spiegelkind
2. Spiegelriss
3. noch ohne Titel

Links

Website zur Reihe
Leseprobe (PDF)

Trailer zum Buch

Persönliche Bewertung

Tiefgründiger und beeindruckend geschriebener dystopischer Jugendroman

5 von 5

Der Fokus liegt in diesem zweiten Band der Spiegel-Trilogie nicht nur auf Julis persönlicher Geschichte, sondern zu einem großen Teil auch auf gesellschaftlichen und sozialkritischen Themen. Und genau das ist es, was Alina Bronskys Reihe aus der Vielzahl der dystopischen Trilogien herausstechen lässt. Neben dem äußerst gelungenen Schreibstil und dem gekonnten Spannungsaufbau zeichnet sich „Spiegelriss“ durch seine Tiefe aus, die vielen Jugendromanen für eine vorrangig weibliche jugendliche Zielgruppe fehlt.

Der größte Unterschied zum ersten Band besteht sicherlich darin, dass hier weniger damit gespielt wird, dem Leser Informationsbröckchen vorzuwerfen und gleichzeitig die tatsächliche Klärung offener Fragen herauszuzögern. Natürlich sind auch in diesem Band nicht alle Zusammenhänge und Hintergründe geklärt, doch ist es hier weniger offensichtlich, denn es geht weniger darum, dass Juli auf der Suche nach Informationen ist, als vielmehr darum, wie sie in den beiden gegensätzlichen Leben (als gesuchte Schwerverbrecherin bzw. zum Tode verurteilte und später als gefeierte und verehrte Heldin der Revolutionäre) zurechtkommt.

Alina Bronsky erzählt die Geschichte plausibel aus Julis Perspektive, der Leser erlebt die dystopische Welt und ihren Wahnsinn durch die Augen eines Mädchens, dessen Leben und Weltbild sich durch ihr neues Wissen über die „Normalität“ und die Machthaber vollkommen gewandelt hat. Der kritische Leser wird zahlreiche Anregungen für tiefgründige Gedanken finden. So gibt es eine sehr offensichtliche Anspielung auf die Hexenverfolgung: In Julis Welt sind es die Pheen, die durch einen absurden und grausamen „Test“ entlarvt oder rehabilitiert werden sollen: Da Pheen unsterblich sind, stellt man durch den Versuch, eine Person zu töten, fest, ob es sich um einen sterblichen Menschen oder eine Phee handelt, die überlebt. Die gleiche irrsinnige „Logik“ steckte damals hinter den Hexenverbrennungen im Rahmen der Inquisition. Passend hierzu thematisiert Bronsky die Macht der Medien, die Indoktrination der Menschen von Anfang an durch verhetzende Bücher, die Kinder schon früh zu vorurteilsbelasteten intoleranten Bürgern machen, die nur die „Normalität“ akzeptieren.

„Spiegelriss“ ist zudem neben seiner Fiktion auch ein politisches Buch: Alina Bronsky zeigt, was passiert, wenn die Unterdrückten und Ausgestoßenen sich erheben und erfolgreich eine Revolution durchführen. Ihr Szenario ist ein sehr düsteres: Die neuen Machthaber sind ebenso grausam wie die alten – Rachegelüste und Missbrauch der neuen Macht führen zu Grausamkeiten, die dem bisherigen Unrecht in nichts nachstehen. Die Autorin zeigt das Paradox auf: Gerade die, die aus eigener Erfahrung wissen müssten, wie furchtbar Gewalt und Diskriminierung sind (die Freaks), verhalten sich ebenso verwerflich wie die „Normalen“, die sie vorher unterdrückten. Am Rande wird auch das Thema Heldenverehrung in die Geschichte eingebaut, als sich Juli mit einer absurden Anbetung durch die revolutionierenden Freaks konfrontiert sieht. Auch den Fanatismus der Revolutionäre charakterisiert die Autorin gut: Die Idee ist wichtiger als das Leben des Einzelnen, menschliche „Verluste“ im Kampf für eine Idee sind normal. So finden sich viele Beispiele für die Tiefgründigkeit, die Alina Bronsky zu einer solch empfehlenswerten und begabten Autorin machen. „Spiegelriss“ bildet hier keine Ausnahme und weckt Spannung und Vorfreude auf den Abschluss der Trilogie.

Fazit

Alina Bronsky liefert mit „Spiegelriss“ einen würdigen und sehr gelungenen Nachfolger für „Spiegelkind“, der sich neben ihrer Sprache durch seinen Anspruch auszeichnet. Lesespaß, Denkanstöße und Spannung sind gleichermaßen garantiert bei diesem Buch!

ISBN10
3401067990
ISBN13
9783401067995
Dt. Erstveröffentlichung
2013
Gebundene Ausgabe
261 Seiten
Empfohlenes Lesealter
Ab 14 Jahren