Scherbenpark

Autoren
Verlag
Kiepenheuer & Witsch Verlag

Zusammenfassung zu “Scherbenpark”

Die siebzehnjährige Sascha hat das Grauen schlechthin erlebt. Vor ihren Augen hat ihr Stiefvater ihre Mutter erschossen. Und doch geht das Leben weiter. Ein Leben im Unterschichts-Ghetto, in Saschas Fall ganz konkret angesiedelt in einer Hochhaus-Sozialbausiedlung im Hessischen. Denn Sascha ist Russlanddeutsche. Und muss sich nach dem Mord an ihrer Mutter um ihre zwei Geschwister kümmern. Die die leiblichen Kinder des Mörders sind. Harter Stoff! Irgendwann kommt glücklicherweise Maria, eine Cousine des Stiefvaters aus Russland nach Deutschland, und nimmt Sascha einen kleinen Teil der Sorge um die Geschwister ab. Sascha kann sich jetzt wieder ihren Racheplänen widmen, die sich natürlich darum drehen, ihren Stiefvater möglichst qualvoll sterben zu lassen. Sie kommt dabei aber ein Stückchen vom Weg ab, als sie Volker kennenlernt, einen ältlichen Intellektuellen, der alleine mit seinem kranken Sohn Felix zusammenlebt. Aber zumindest gelingt es Volker und Felix, Sascha ein Stück weit aus ihrer leblosen Starre zu reißen. Denn eine Therapie verweigert sie, nachdem sie Jugendamt und Sozialarbeiter in Aktion erlebt hat. Nur eines Tages macht der Stiefvater Sascha einen Strich durch ihre Rachepläne. Immer mit dabei und die ganze Erzählung tragend, die pointierte Beschreibung deutscher Lebensrealiät aus der Sicht eines siebzehnjährigen, tief verletzten nichtdeutschen sehr intelligenten Mädchens.

Wichtige Charaktere

  • die siebzehnjährige Sascha Naimann
  • Saschas Geschwister Anton und Alissa
  • die russische Tante Maria
  • der Junge Felix und sein Vater Volker
  • der Solitär – ein Ghetto in einer deutschen Stadt

Zitate

„Manchmal denke ich, dass ich nie wieder neue Menschen kennenlernen will, weil ich es satt habe, jedem das Gleiche von vorn zu erklären. Warum ich Sascha heiße und wie lange ich schon in Deutschland lebe und warum ich so gut Deutsch kann, ungefähr elfmal besser als alle anderen Russlanddeutschen zusammen. Ich kann Deutsch, weil mein Kopf voll ist mit grauer Substanz, die wie eine Walnuss aussieht und makroskopisch viele Windungen hat, mikroskopisch dagegen eine stolze Menge Synapsen.“

„Im Juli ist er weg. Mit Felix. Es ist sengend heiß, der Solitär speichert die Wärme und strahlt sie bis in die tiefe Nacht wieder ab, noch in den wenigen Stunden, in denen es ein bisschen dämmrig wird. Maria stöhnt jeden Morgen, dass sie den Tag nicht überleben wird. Der Abreißkalender für die orthodoxe Hausfrau versorgt sie mit neuen Rezepten für kalte Suppen und warme Gesichtsmasken. Eine große Gurke reicht für beides.“

„Er ist der Einzige, den ich in den letzten zwei Jahren hören konnte, stundenlang, und auch der Einzige, dem ich glaube, dass er eine Ahnung hat, worüber er singt. Es gefällt mir, dass er früh Vater geworden ist und Adoptivkinder hat, und ich verfolge voller Mitgefühl seine Scheidungen und Hochzeiten mit der immer gleichen Frau und seine Kämpfe gegen die Herkunftsfamilie. Und er tut mir fruchtbar leid, denn im Vergleich zu ‚8 Mile‘, hinter der er aufgewachsen ist, kommt mir Solitär wie ein Palast vor. Ich meine, in so einem Bauwagen würde es mir noch weniger gefallen.“

Preise und Auszeichnungen

Nominierung für den deutschen Jugenliteraturpreis 2009 in der Kategorie Jugendbuch (Begründung der Jury)

Links

Leseprobe beim Verlag

Alina Bronsky im Video über „Scherbenpark“

Persönliche Bewertung

Ein junges Mädchen kämpft ums Überleben und lehrt uns dabei so allerlei über deutsche Lebensrealitäten!

4 von 5

„Scherbenpark“ ist der Debütroman von Alina Bronsky. Knallhart steigt sie in die Beschreibung einer Lebensrealität ein, dem die meisten ihrer Leser auf der literarischen Bühne wohl noch nicht begegnet sind. Sascha ist ein junges, verletzliches, intelligentes, begabtes, gebildetes Mädchen und doch chancenlos, denn sie hat die falsche Herkunft und sie hat, auch als Folge dieser Herkunft, Unglaubliches erlebt. Und keiner ist da, der ihr wirklich helfen kann, den Schmerz und das Trauma zu verarbeiten. Scharen von Sozialarbeitern prallen an ihr ab. Hilf dir selbst ist die Devise– und genau das versucht Sascha dann auch. Und Alina Bronsky gelingt es, Saschas Leben und ihre Erlebnisse in einer angenehm einfach gestrickten Sprache vorzutragen, der es trotzdem gelingt, sowohl komplexeste Stimmungsbilder einzufangen als auch noch eine Geschichte zu erzählen. Die Lage ist eigentlich absolut ausweglos, für alle Beteiligten, und doch verzweifelt niemand. Nichts wird beschönigt und doch fehlt es an jeder Form von dick aufgetragenem Selbstmitleid oder auch existenzialistischer Bespiegelung des zerstörten Ichs. Das macht den bezaubernden Charme von „Scherbenpark“ aus. Es ist einfach eine für den deutschen Leser ungewohnte Sicht auf das Leben. Und dabei ist Deutschland, jedermanns direkte Nachbarschaft, doch der Handlungsort. Sicher kann man in diesem Roman auch eine Vielzahl von Schwächen entdecken. Aber der Spaß an von Alina Bronsky gekonnt vorgetragener Sichtweise auf Leben in Deutschland überwiegt. Wer die Autorin stilistisch verfeinert, und dadurch vielleicht noch grausamer in der Wirkung erleben will, sollte sich unbedingt ihren zweiten Roman „Die besten Gerichte der tatarischen Küche“ zu Gemüte führen. Mit dieser Autorin ist ein sehr russischer Stern am deutschen Literaturhimmel aufgegangen. Sie schreibt Romane einer Art, wie man sie schon immer vermisst hat, nur wusste man das nicht, bevor man Alina Bronsky gelesen hat.

Fazit

Ein junges Mädchen kämpft ums Überleben und lehrt uns dabei so allerlei über deutsche Lebensrealitäten! Ausdrucksstark geschrieben!

ISBN10
3462040308
ISBN13
9783462040302
Dt. Erstveröffentlichung
2008
Gebundene Ausgabe
286 Seiten