Die wundersame Geschichte von September, die sich ein Schiff baute und das Feenland umsegelte

Autoren
Illustrator
Ana Juan
Übersetzer
Sylke Hachmeister

Zusammenfassung zu “Die wundersame Geschichte von September, die sich ein Schiff baute und das Feenland umsegelte”

September ist ein zwölfjähriges Mädchen und die Tochter einer Mechanikerin, die sich in ihrem Leben furchtbar langweilt. Ihr großes Abenteuer beginnt, als sie der Grüne Wind, der als kleiner grüner Mann auf der Leopardin der leichten Lüfte fliegt, auf eine Reise ins Feenland einlädt. So nimmt er sie mit bis an die Grenze des Feenlandes, darf sie jedoch nicht weiter begleiten. Mit dabei ist jedoch der grüne Hausrock des Grünen Winds, der September wärmen soll, denn einer ihrer Schuhe ging bei der Abreise verloren. Das Feenland ist sehr aufregend und verwirrend für September, denn es gibt viele sonderbare Regeln und verschiedenartigste Geschöpfe. Die Herrscherin des Landes ist die Marquess, die regiert seit die gute Königin Malve verschwand und allerhand strenge Regeln erließ. So muss einer von Septembers ersten Bekannten, ein roter Lindwurm namens A – L eine schwere Kette um seine Flügel tragen, denn das Fliegen ist ihm verboten. Der Lindwurm (der erklärtermaßen kein Drache ist!) begleitet September nach Pandämonium, denn sie hat einer Hexe versprochen, den von der Marquess gestohlenen magischen Löffel zurückzuholen.

In der Stadt erlebt sie jedoch eine Überraschung, denn sie wird zur Marquess bestellt, die sich als Mädchen herausstellt, das kaum älter ist als September selbst. Sie muss schnell feststellen, dass man der Marquess nicht widersprechen kann, und so willigt September gegen ihren Willen ein, der Herrscherin ein Schwert aus dem Gespinstwald zu holen. Gelingt es September nicht, das Schwert innerhalb von sieben Tagen zur Marquess zurückzubringen, so droht ihr der Tod. Aus Rache befreit sie den von der Marquess gefangenen Marid namens Samstag aus einer Hummerfalle, und damit sind die Reisegefährten zu dritt und September hat einen treuen neuen Freund gewonnen. Um den Gespinstwald schneller zu erreichen, schließen sich Samstag und September einer Herde von Velozipeden, Hochrädern, an. Auf diese Weise gelangen sie in die Herbstprovinzen, in denen der Gespinstwald liegt. Hier lernen September und ihre beiden Freunde die Spriggans und Doktor Fahl kennen, müssen jedoch feststellen, dass der Gespinstwald nicht umsonst als gefährlich gilt und auch die Herbstprovinzen bei weitem nicht so beschaulich sind, wie sie scheinen, sondern September in eine große Gefahr bringen. Als schließlich auch noch Samstag und A – L von zwei schlafenden Löwen der Marquess entführt werden, fühlt sich September sehr hilflos und allein, ist jedoch fest entschlossen, ihre Freunde zu retten…

Wichtige Charaktere

  • September
  • der Lindwurm A – L, genannt „Ell“
  • der Marid Samstag
  • Königin Malve
  • die Marquess und Iago, ihr Panther
  • die Leopardin der leichten Lüfte
  • der Grüne Wind
  • Doktor Fahl
  • die Spriggans Rubedo und Citrinitas
  • die Hexen Lebwohl und Hallo und ihr Mann, der Wärwolf Dankeschön
  • das Golem-Mädchen Lug
  • Calpurnia Velo und Ariel
  • Herr Atlas
  • die Laterne Schimmer
  • ein Schlüssel

Zitate

„‚Die Erde, mein Liebes, ist ungefähr trapezförmig, leicht rautenförmig, tesseraktähnlich und äußerst verdrießlich, wenn man ihr Fell gegen den Strich streichelt! Kurz gesagt, sie ist ein Rätsel, mein kleiner Herbsterwerb, wie die ineinander verhakten Silberringe, die deine Tante Margaret dir aus der Türkei mitgebracht hat, als du neun warst.'“

„September hatte lange die Luft angehalten, jetzt atmete sie aus. Sie schaute in die aufgewühlte schwarzviolette Suppe und zermarterte sich das Hirn. Leider wusste September nicht, in was für einer Geschichte sie steckte. War es eine lustige oder eine ernste? Wie sollte sie sich verhalten? Wenn es eine lustige Geschichte war, konnte sie sich auf die Jagd nach dem Löffel machen und es wäre ein herrliches Abenteuer mit Reimen, Purzelbäumen und einem großen Fest mit Lampions am Ende. War es jedoch eine ernste Geschichte, musste sie vielleicht etwas Wichtiges machen, etwas Weitreichendes, das mit Schnee und Pfeilen und Feinden zu tun hatte. Natürlich würden wir es ihr gern verraten. Aber niemand darf wissen, in was für einer Geschichte er steckt. Und vielleicht wissen wir selbst auch gar nicht ganz genau, womit wir es zu tun haben. Geschichten können ihr Wesen verändern. Sie sind wild und undiszipliniert, sie neigen zu Ungezogenheiten wie Radiergummiwerfen. Deshalb müssen wir sie in dicke, stabile Bücher einsperren, damit sie nicht ausbrechen und Unheil anrichten können.“

„Schuhe sind komische Wesen. Man hält sie für lebendig. Sie haben einen Willen. Schuhe mit Edelsteinen wollen auf Bälle gehen, schwere Stiefel wollen zur Arbeit, Ballerinas wollen tanzen, Pantoffeln wollen schlafen. Schuhe bestimmen den Weg, den du beschreitest. Mit anderen Schuhen ändert sich auch dein Weg.“

Alle Bände der Reihe

1. Die wundersame Geschichte von September, die sich ein Schiff baute und das Feenland umsegelte
2. The Girl Who Fell Beneath Fairyland and Led the Revels There (bisher nur auf englisch)

Trailer zum Buch

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Leseprobe beim Verlag (PDF)

Persönliche Bewertung

Fantasievoller und bezaubernder kann man ein Kinderbuch nicht schreiben! Hinreißend!

5 von 5

Catherynne M. Valentes Geschichte kommt nicht nur in einer wunderschönen Aufmachung als Hardcover mit attraktivem Schutzumschlag und passenden Bleistiftillustrationen von Ana Juan daher, sie überzeugt auch durch ein Feuerwerk an kreativen und humorvollen Ideen. Der belesene Leser wird Anspielungen auf Alice im Wunderland, Narnia und den Zauberer von Oz finden. Passend hierzu erinnern die Charaktere des Feenlandes an die skurrilen und einzigartigen Gestalten aus der Reihe um Dorothy und das Land Oz, sind jedoch dank der unerschöpflichen Fantasie der Autorin trotzdem vollkommen eigenständig. Da gibt es den Breitengrad und den Längengrad als schüchterne Berühmtheiten mit Nickelbrille, die auf Karten nur symbolisch dargestellt werden dürfen, oder den Wärwolf, der im Gegensatz zum Werwolf nur bei Vollmond ein Mensch ist und sonst als Wolf in Erscheinung tritt. Die Elektrizität im Feenland wird durch einen Handel zwischen Blitzsylphen und Glasghulen erzeugt, und es gibt ein Orchester mit Grummelfonabteilung. Die Dschinns des Feenlandes sind Wesen der Luft und ernähren sich von Wolkenkuchen und Sturmbraten und trinken Blitzbier. An Stelle von wilden Pferden zieht eine Herde von Hochrädern, Velozipeden, durch die Landschaft. Daneben bekommt es September mit einer Vielzahl weiterer fantastischer Wesen zu tun, mit Spriggans, die ihre Größe nach ihrer Umgebung verändern, mit den Nasnas, halben Wesen, die sich zusammensetzen, um vollständig zu sein, oder mit den Tsukumogami, lebendigen Gegenständen. Die Kulissen erinnern an das Wunderland, an Oz oder das Schlaraffenland.

Die Hauptfigur September ist ein sympathischer eigenwilliger Charakter, ein Mädchen, das gern liest und schwierige Wörter mag, „die nicht vorgeben, einfach zu sein“. Sie hat kein Verständnis für die Mädchen in der Schule, die in die große Stadt gehen und berühmt, schön und reich werden möchten. Damit ist sie eine wunderbare, weitgehend klischeefreie Heldin und ein echtes Vorbild für die jungen Leserinnen. Auf ihrer Reise lernt sie viele wundersame Charaktere und Schauplätze kennen wie die Hexenschwestern, die sich einen Mann teilen, um sich die Zeit zu sparen, auf die Suche nach zwei Ehemännern zu gehen. Dabei liest sich jede Seite der Geschichte fesselnd und humorvoll. Valentes Humor ist hierbei niemals platt, sondern bewegt sich zwischen Episoden, die mindestens ältere Leser schmunzeln lassen, und spitzfindigem tiefgründigem Humor. Zwei Beispiele hierfür sind die Figur des Lindwurms, dessen Vater eine Bibliothek war oder die Erwähnung des Orchesters, das die „Ode an Königin Malves dritten Fingernagel“ spielt und damit auf herrliche Weise absurde Lobeshymnen parodiert.

Sprachlich ist „September“ einfach nur grandios, man kann ein Märchen kaum besser erzählen. Es finden sich so viele Beispiele für Valentes poetische und anspruchsvolle Sprache, die sich dennoch so leicht liest: „Die Sonne krempelte sich die Hose hoch und marschierte den Himmel hinauf.“ Dabei darf nicht vergessen werden, dass es sich um eine Übersetzung handelt und der Übersetzerin Sylke Hachmeister ein großes Lob gebührt. Namen wie der „Wirbelseufzerturm“ sind sehr treffend übersetzt, und auch die Poesie von Catherynne Valente wurde perfekt ins Deutsche übertragen.

Doch die „Geschichte von September“ ist nicht nur humorvoll, spannend und höchst unterhaltsam. Sie bietet auch allerhand tiefgründige Gedankenanstöße, zauberhaft verpackt in einer märchenhaften Geschichte: Da gibt es die Anmerkung der Erzählerin, dass Hüte und Schuhe die Macht haben, Menschen zu verändern und die Zukunft, die als Eintopf aus Gegenwart und Vergangenheit beschrieben wird. Im Feenland gibt es eine besondere Regelung: Wer in die Hauptstadt möchte, muss durch das Haus ohne Warnung, um gewaschen und vorbereitet zu werden, denn wie könnten Städte „so viele mürrische, gereizte und schmuddelige Leute in ihrer Mitte ertragen?“ – eine herrliche Charakterisierung des realen Großstadtlebens. Erwachsene kommen nicht allzu gut bei Valente weg: In der Geschichte laufen sie mit „verdreckter Mutmaschine“ herum, denn das Leben hat ihren Mut verschmutzt. Dieser Dreck muss im Haus ohne Warnung abgewaschen werden. Und September sieht Erwachsene in ihrer Welt als traurige und enttäuschte Menschen, die von allem gelangweilt sind. Ältere Leser mögen sich an dieser Stelle selbst kritisch hinterfragen, ob sie zu dieser Gruppe gehören und ob das unbedingt so sein muss.

Auch zum Verhältnis zwischen Mensch und Tier gibt die Autorin (ob gewollt oder ungewollt) Denkanstöße: Die Erzählerin merkt an, dass Fische nicht gern getötet und gegessen werden, zieht jedoch daraus keine Konsequenzen und lässt September einen Fisch töten, als sie Hunger hat. Sie stellt dies zwar so grausam dar, wie es ist, doch lässt sie durchklingen, dass es seltsam ist, dass September deswegen ein schlechtes Gewissen hat. Sensiblen Lesern wird diese Szene etwas aufstoßen, kritische Leser und Leserinnen werden die Widersprüchlichkeit erkennen. Dem Lesespaß tut dies keinen Abbruch, fällt jedoch aus der Vielzahl hintergründiger Anmerkungen heraus.

Es gibt viele weitere Beispiele für gesellschaftskritische und sogar auch politische Gedanken, die Leser als Inspiration nutzen können, aber nicht müssen. So erklärt die Marquess September, ihr Volk wäre böse und müsse durch sie im Zaum gehalten werden, um nett zu sein. Sie als Herrscherin bietet vermeintliche Sicherheit auf Kosten der Freiheit – die politische Parallele mag sich jede Leserin und jeder Leser selbst denken. Daneben findet man Kritik an Krieg und Armeen, als die Marquess September daran erinnert, dass ihr Vater ihr einfach weggenommen und zum Krieg eingezogen wurde. Außerdem merkt sie an, dass Krieg immer außer Sichtweite geführt wird, weil sonst alle entsetzt wären und man ihn sofort beenden müsste. Spitzfindig ist auch das Schicksal der Nasnas, deren unbeschwerten Leben die Marquess ein Ende bereitet, indem sie sie von ihrer Faulheit befreit und sie von der Lohnarbeit, Lochkarten und zu versteuerndem Einkommen überzeugt: eine wunderbare Spitze auf unsere Welt!

Fazit

Catherynne M. Valente erzählt eine magische Geschichte für Leser jeden Alters, die kaum märchenhafter und kreativer sein könnte. Allein auf einer Seite beweist die Autorin mehr Fantasie als viele populäre Autoren in einem ganzen Buch. Phantastisch und beeindruckend!

Originaltitel
The Girl Who Circumnavigated Fairyland in a Ship of Her Own Making
ISBN10
3499216329
ISBN13
9783499216329
Dt. Erstveröffentlichung
2013
Gebundene Ausgabe
320 Seiten
Empfohlenes Lesealter
Ab 11 Jahren