Die Radleys

Autoren
Übersetzer
Friederike Levin
Verlag
Rowohlt Taschenbuch Verlag (rororo)
Anspruch
5 von 5
Humor
5 von 5
Lesespaß
5 von 5
Schreibstil
5 von 5
Spannung
5 von 5

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Zusammenfassung zu “Die Radleys”

Die Radleys leben ein Bilderbuchleben im kleinen englischen Städtchen Bishopthorpe. Eine ganz normale Familie sind sie jedoch nicht, auch wenn die Kinder Rowan und Clara davon bisher nichts ahnen. Dass sie im College Außenseiter sind, daran sind die beiden gewöhnt. Was ihre Eltern ihnen bisher verschwiegen haben: Alle vier Radleys sind Vampire! Um in die Sonne gehen zu können, brauchen sie Sonnencreme mit Faktor 60 und zur Diät gehört rohes tierisches Fleisch, um ihre Gelüste auf menschliches Blut zu zügeln. Als Clara Veganerin wird, beginnt das Unglück: Ihre neue Ernährungsform bekommt ihr nicht und schließlich beißt und tötet sie auf einer Party einen zudringlichen Klassenkameraden. Vater Peter beseitigt die Leiche und anschließend sehen sich die Eltern genötigt, ihre Kinder aufzuklären.

Rowan und Clara lernen, dass ihre Eltern zu den zivilisierten Vampiren gehören, die abstinent leben und kein Blut mehr anrühren. Claras Mord bringt ihr sorgsam aufgebautes Leben durcheinander und so muss die Familie alles dafür tun, unauffällig zu bleiben und keinen Verdacht auf sich zu lenken. Der Vater von Rowans Schwarm Eve jedoch scheint über sie Bescheid zu wissen und auch den Nachbarn kommt so einiges seltsam vor. Als die Polizei ihre Ermittlungen aufnimmt und droht Clara auf die Schliche zu kommen, sehen sich die Eltern gezwungen Peters Bruder Will um Hilfe zu bitten. Im Gegensatz zu ihnen kümmert sich Will nicht um Moral und ernährt sich weiterhin von Menschenblut. Er beherrscht jedoch eine Kunst, die den Radleys helfen soll: Durch „Blutdenken“ kann er Menschen beeinflussen und so die vernehmenden Polizisten von Claras Spur abbringen. Helen sieht Wills Anwesenheit mit gemischten Gefühlen, denn es verbindet sie ein dunkles Geheimnis mit dem Bruder ihres Mannes. Gleichzeitig ist eine besondere Einheit auf die Radleys angesetzt, die von der Existenz des Vampirismus weiß und mit mächtigen Vampiren zusammenarbeitet, um Verbrechen zu verhindern und die Welt im Gleichgewicht zu halten. Zwar gibt es eine Liste von Vampiren, denen Immunität gewährt wird und die damit nicht verfolgt werden dürfen, doch Wills Weigerung sich an Absprachen zu halten, führt dazu, dass er von der Liste gestrichen wird und die Radleys ins Visier genommen werden…

Wichtige Charaktere

  • die Geschwister Rowan und Clara Radley
  • ihre Eltern Peter und Helen Radley
  • Claras beste Freundin Eve
  • Toby Felt und sein Vater Mark
  • Lorna, Marks Freundin
  • Stuart Harper
  • Will Radley
  • Alison Glenny

Zitate

„Er ist gefangen in einem Klischee, das nicht für ihn geschaffen ist. Ein gutbürgerlicher Mann mittleren Alters, mit der Aktentasche in der einen Hand, der die volle Last von Schwerkraft und Moral und sämtlichen repressiven menschlichen Kräften auf seinen Schultern spürt.“

„Rowan lehnt sich zurück und schließt die Augen, während sein Dad mit seiner Einführungslektion über Vampirismus weitermacht. Offensichtlich waren einige berühmte Leute Vampire. Maler, Poeten, Philosophen. Er zählt auf:
Homer.
Ovid.
Machiavelli.
Caravaggio.
Nietzsche.
So ziemlich alle Romantiker, außer Wordsworth.
Bram Stoker. (Seine Anti-Vampirismus-Kampagne gehört in seine abstinente Phase.)
Jimi Hendrix.
‚Und unsterblich sind Vampire auch nicht‘, fährt Peter fort, ’nur wenn sie sich an eine strennge Blutdiät halten und das Tageslicht meiden, können sie ziemlich alt werden. Man hat von Vampiren gehört, die über zweihundert Jahre alt geworden sind. Und ein paar ganz rigorose täuschen ihren Tod in jungen Jahren vor, wie Byron, der auf dem Schlachtfeld in Griechenland so tat, als hätte er Fußbrand. Diese Vampire legen sich ungefähr alle zehn Jahre neue Identitäten zu.'“

„Ein Pub wie den Plough würde Will unter normalen Umständen nicht einmal im Traum betreten. Eine Eckkneipe für Leute, die kaum mitkriegen, dass sie noch leben, und dumpf auf stumme Sportberichte starren.“

„Diese ganze blöde Sache mit all den unblutigen Beziehungen. Sie funktionieren nur, wenn die Leute sich nicht verändern, Jahrzehnte auf dem Fleck verharren, wo sie sich kennengelernt haben.“

„Sie waren so verliebt, dass Clapham, damals, in den Zeiten vor der Sanierung des Viertels, für sie der romantischste Ort der Welt war. Die tristen, verregneten Straßen Süd-Londons hatten leise von ihrer Liebe gesummt. Venedig oder Paris hatten sie nie gebraucht.“

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Persönliche Bewertung

Eine Vampirgeschichte der besonderen Art, erwachsen und ohne Kitsch und Klischees!

5 von 5

Wer mit Vampirromantik, mit für zweifelhafte Vampirjungs schwärmende Teeniemädchen und klischeehafte Beziehungen zwischen Menschen und Blutsaugern nichts übrig hat und das Genre Vampirgeschichten für sich abgehakt hat, sollte unbedingt die Radleys kennenlernen! Natürlich ist der Vergleich mit Stephenie Meyers berühmten Vampirbüchern etwas ungerecht, schließlich richten sich „Die Radleys“ nicht an die Zielgruppe von Mädchen ab 14 Jahren, sondern an ein etwas älteres Publikum. Allein mit dieser Ausrichtung lässt sich der Qualitätsunterschied jedoch nicht erklären. Matt Haigs Buch ist weder als Gruselgeschichte, noch als Vampirromanze ausgelegt, sondern bedient sich der Vampirfamilie vielmehr für einen gesellschaftskritischen Roman voller schwarzem und spitzfindigem Humor. In „Die Radleys“ geht es um Kleinstadtmentalität, um Vorurteile, um den krampfhaften Versuch dazuzugehören und sich anzupassen, um Vertrauen und Moral, aber auch um eine Spur unkitschiger und erwachsener Romantik.

Die Geschichte unterhält von der ersten bis zur letzten Seite und begeistert durch ihre humorvolle und treffende Sprache, die von Friederike Levin wunderbar ins Deutsche übertragen wurde. Das ganze Buch ist so voller zitierenswerter Passagen, die so viel Witz und Tiefsinn enthalten, dass „Die Radleys“ nicht nur äußerst kurzweilig zu lesen sind, sondern dem kritischen Leser, der sich darauf einlassen kann, allerhand Gedankenanstöße bietet. Erwähnenswert und großartig in ihrem Humor auch die Zitate aus dem „Handbuch für Abstinenzler“, das in Auszügen zwischen den Kapiteln abgedruckt ist und das sich zum Beispiel so liest: „Blut stillt die Gier nicht. Es verstärkt sie. – Handbuch für Abstinenzler (Zweite Ausgabe), S. 90“

Eine willkommene Alternative zu klassischen Vampirgeschichten oder moderner Vampirromantik bietet die Darstellung der Vampire, die nicht romantisiert werden, sondern sich – genau wie Menschen – individuell unterscheiden. Da gibt es moralische und unmoralische Vampire (wer auf das Blut nicht verzichten kann oder die gesundheitlichen Nebenwirkungen der Abstinenz nicht ertragen möchte, kann sich von Vampirblut ernähren, das abgefüllt in einschlägigen Clubs zu kaufen ist). Die speziellen Kräfte der Vampire (das Fliegen und bestimmte individuelle Fähigkeiten) lassen sie nicht zu Helden werden. Der Autor portraitiert sie vielmehr als Charaktere, die für ihre Kräfte einen hohen Preis zahlen müssen: Die ständige Bemühung nicht aufzufallen und ihre Identität nicht preiszugeben, um sich nicht den Vorurteilen und dem Hass der Menschen auszusetzen. Es ist damit vor allem die ungewöhnliche Darstellung des Autors von einer so klischeebehafteten Figur wie dem Vampir, die diesen Roman zu einem außergewöhnlichen und überaus gelungenen machen.

Fazit

Eine überaus erfrischende Vampirgeschichte, die dem Genre eine ganz neue Note gibt. Voller bissigem (britischem) Humor und Gesellschaftskritik – vergesst die Cullens, hier sind die Radleys!

Originaltitel
The Radleys
ISBN10
3499255278
ISBN13
9783499255274
Dt. Erstveröffentlichung
2012
Taschenbuchausgabe
432 Seiten