Der Fall

Autoren
Verlag
Klett-Cotta Verlag
Anspruch
5 von 5
Humor
4 von 5
Lesespaß
5 von 5
Schreibstil
5 von 5
Spannung
5 von 5

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Zusammenfassung zu “Der Fall”

Kriminalkommissar Alexander Swoboda ist pensioniert und widmet sein Leben der Malerei. Als er frühmorgens an einer Steilküste in der Normandie seine Staffelei aufstellen möchte, um zu malen, wird er Zeuge, wie ein Mensch von der Klippe stürzt. Kurze Zeit darauf wir auf ihn geschossen. Zwar gelingt es Swoboda, sich zurück zum Parkplatz zu seinem Auto zu retten, doch dort wartet ein weiterer Mörder auf ihn, der ihn erschießt. Und so kommt es, dass Swoboda sich mit dem Leben nach dem Tod konfrontiert sieht und in einer Zwischenwelt landet, in der ihm ein Junge mit schmutzigen nackten Füßen die Aufgabe überträgt, seinen letzten Fall zu lösen: seinen eigenen Mord aufzuklären. Erst wenn ihm dies gelingt, darf er in die „richtige“ Welt nach dem Tod eintreten.

Die Namen seiner Mörder findet Swoboda schnell heraus. Es handelt sich um zwei Auftragsmörder, doch warum musste der Mann auf der Klippe sterben und wer war der Auftraggeber? Gemeinsam mit den offiziell ermittelnden Beamten, seinem alten Freund Georges Lecouteux und seiner Kollegin und guten Freundin Michaela Bossi, denen er gelegentliche Eingebungen einflüstert, kommt Swoboda auf die Spur einer verbrecherischen Gesellschaft von Unternehmern. Es geht um Geldwäsche, um das Spiel mit dem Geld und die Habgier. Eine wichtige Rolle spielt außerdem ein kleiner unscheinbarer Steuerberater namens Hans Rakowski, der angesichts einer Gelegenheit neue Talente an sich entdeckt und sich auf dem Weg zu einem neuen erfolgreichen Menschen hoffnungslos selbst überschätzt…

Wichtige Charaktere

  • Alexander Swoboda
  • Georges Lecouteux
  • Michaela Bossi
  • Hans Rakowski
  • Pascal Thierry Chevrier
  • Lukas Breitstein
  • Hilde Zach
  • Wout de Wever
  • Vedran Sjelo

Zitate

„Ich habe überhaupt keine Lust, zwei Arschlöcher dingfest zu machen, die auf mich geschossen haben, einer davon erfolgreich. Warum auch? Die Welt ist voller Arschlöcher, und je mehr Menschen dieser Planet hat, um so mehr Arschlöcher laufen auf ihm herum und töten Unschuldige und andere Arschlöcher, kriegen dafür Orden oder lebenslänglich. Sie haben nicht nur keinen Respekt vor dem Leben, sie wissen ganz einfach nicht, was es ist und was es bedeutet.“

„Maçon ist kein schlechter Mensch, nicht einmal ein schlechter Beamter, doch seinem bequemen Charakter verschließt sich die tief gestaffelte Bösartigkeit dieses Falles, den er in der Bucht von Les Petites Dalles rasch zu erledigen hoffte.
Die Vision seines Lebens besteht im Erreichen der Pensionsgrenze. Dass zur Aufklärung des Verbrechens zwischen den Kreidefelsen eine ganz anders geartete Grenze überschritten werden muss, dass nämlich Diesseits und Jenseits dafür kollaborieren, hat in seiner überschaubaren Phantasie keinen Platz; was man ihm nicht vorwerfen kann – denn, ehrlich gesagt, kein vernünftiger Mensch lässt sich weismachen, ein Ermordeter könne seinen Mörder überführen.“

Alle Bände um Kommissar Swoboda

1. Im Dunkel der Zeit
2. Das Fest der Fliegen
3. Mein ist der Tod
4. Der Fall

Links

Leseprobe (PDF) beim Verlag

Persönliche Bewertung

Krimi aus außergewöhnlichem Blickwinkel, exzellent und tiefgründig erzählt

5 von 5

Ein Opfer klärt seinen eigenen Mord auf, um eine Art „Erlösung“ nach dem Tod zu finden – Gert Heidenreichs Szenario verspricht eine interessante Lektüre. Gut 300 Seiten später findet sich diese Erwartung an einen ungewöhnlichen Kriminalroman bestätigt. Im Zentrum der Handlung steht natürlich der tote Kommissar, dessen Menschen- und Weltbild die Wahrnehmung der Handlung einfärbt. Swoboda ist ein mitunter zynischer Ermittler, menschlich und nicht ohne Fehler, doch kann man sich seines rauen Charmes nicht erwehren. Die Erzählform wechselt zwischen der gelegentlichen Ich-Form (aus dem Munde Swobodas) und dem auktorialen Erzähler, als der Swoboda fungiert, wenn er ohne Rücksicht auf Ort und Zeit alle Szenarien aus der Distanz beobachtet, ohne direkt eingreifen zu können.

Heidenreichs Roman überzeugt neben seinem anspruchsvollen Schreibstil durch intelligente Charakterstudien. Es gelingt dem Autor ausgezeichnet, überzeugende Charaktere zu erschaffen und eine Bandbreite verschiedener menschlicher Charaktereigenschaften abzubilden. Da wird Ehrgeiz zu Größenwahn und Selbstüberschätzung, zu Realitätsverlust. Heidenreich zeigt an verschiedenen Charakteren, welchen Einfluss ein Vermögen auf Charakter und Urteilsvermögen eines Menschen ausüben kann. So ist Rakowski ein Beispiel für die Maßlosigkeit, die nicht selten mit Vermehrung des Besitzes einhergeht: Wer zu Geld kommt, kann nie genug kriegen, verliert den Bezug zu den Summen, besonders da er sich das Vermögen nicht erarbeitet hat. Auch die Mitglieder der „Trinker“-Gesellschaft finden nie Ruhe, sind nie mit ihrem Reichtum zufrieden, da dieser ihnen nicht ihre ungestillten Sehnsüchte und Wünsche erfüllen kann. Der Autor erlaubt es den Lesern, mit Hilfe kontrollierter Einblicke in die Gedankengänge verschiedener Figuren, unterschiedliche Perspektiven kennenzulernen und – zumindest intellektuell – nachzuvollziehen.

Doch die Handlung besticht nicht nur durch die psychologischen Portraits ihrer Figuren, sondern auch durch ihre Spannung. Denn obwohl Täter und Grundzüge bald bekannt sind, bleibt der „Fall“ bis zum Ende spannungsreich und entwickelt sich zum Wettlauf zwischen den „Trinkern“, ihren Erpressern und den ermittelnden Kommissaren. Ein Wettlauf, der dank der Distanz, die der tote Kommissar zum Geschehen wahrt, auch vom Leser aus der analytischen Vogelperspektive verfolgt werden kann, ohne ihn emotional einzubinden. Und das fesselt bis zur letzten Seite.

Fazit

Gert Heidenreich hat mit „Der Fall“ einen intelligenten Kriminalroman geschaffen, dessen Besonderheit sich vor allem aus der ungewöhnlichen Erzählperspektive ergibt. Überzeugend geschrieben, voller (teilweise subtiler) Spannung und glaubwürdiger Charakterstudien der Macht und Habgier.

ISBN10
3608980199
ISBN13
978-3608980196
Dt. Erstveröffentlichung
2014
Gebundene Ausgabe
319 Seiten