Anna – ein Kindsmord

Autoren
Verlag
Projekte-Verlag Cornelius

Zusammenfassung zu “Anna – ein Kindsmord”

Kommissarin Margot Lukas und ihr Kollege Fabian Faust werden an einen erschütternden Tatort gerufen: Das neunjährige Mädchen Anna wurde ertränkt – den ersten Indizien zufolge von ihrer eigenen Pflegemutter. In der Pathologie findet man außerdem Anzeichen dafür, dass das Mädchen vorher gefesselt wurde, und das nicht zum ersten Mal. In ihrer Armbeuge sind Einstiche zu sehen und Anna scheint vergewaltigt worden zu sein. Der Besuch beim Jugendamt bringt wenig neue Erkenntnisse. Und dann wird die Hauptverdächtige tot aufgefunden – in ihrer eigenen Wohnung mit Klebeband gefesselt und in der Badewanne ertränkt, genau wie Anna am Abend zuvor. Von einem Nachbarn erfahren sie, dass die Misshandlung von Anna nicht allen verborgen blieb, doch die Anrufe bei der Polizei blieben ohne Folgen.

Es kristallisiert sich immer mehr heraus: Niemand hat etwas gewusst, niemand hat etwas gesehen, niemand hat etwas unternommen, um dem gequälten Mädchen zu helfen. Die zuständige Mitarbeiterin im Jugendamt flüchtet sich in Ausreden, die Kinderärztin von Anna scheint zwar Rezepte ausgestellt, das Mädchen selbst jedoch nie untersucht zu haben. Nur Annas Bruder und ihre beste Freundin Maria wussten von Annas Tortur. Es erhärtet sich der Verdacht, dass Anna regelmäßig gequält wurde und ihr außerdem K.O. Tropfen verabreicht wurden. Für die Vergewaltigungen steht der Pflegevater unter dringendem Tatverdacht. Dem Mörder von Anna und ihrer Pflegemutter Ruth Rist sind Margot und Fabian kaum nähergekommen, und dann gibt es eine dritte Leiche…

Wichtige Charaktere

  • Kommissarin Margot Lukas
  • Anna
  • Pflegemutter Ruth Rist
  • Pflegevater Horst Rist
  • Annas Bruder Konrad
  • Kommissar Fabian Faust
  • Peter Braun
  • die Notärztin Dr. Magosia Skorupka
  • Pathologe Ben Mateus
  • Herr und Frau Dr. Greten
  • Jens Hübchen, Leiter des Jugendamtes
  • Martina Osen vom Jugendamt
  • die Nachbarn Fred Born, Petra Malitz und Jasmin Breuer

Zitate

„Mateus steht abrupt auf und ich erkenne wieder einmal, wie viel stärker wir Unrecht empfinden, wenn wir selbst davon betroffen sind. Und wie viel höher wir dann Bestrafung dafür fordern. Ich blicke kurz auf Annas zugedeckten Körper. Das Verbrechen, mit dem sich Mateus im Augenblick beruflich beschäftigen muss, ist hundertmal schlimmer als das Erlebnis seiner Tochter, der am Ende glücklicherweise nichts passiert ist. Aber weil es seine Tochter ist, kann er seine Emotionen nicht ausschalten, er urteilt nicht objektiv, obwohl ich das anfangs geglaubt habe. Wenn ich ihn in diesem Moment fragen würde, was mit den Männern geschehen solle, die seine Tochter vergewaltigen wollten, würde er mir im besten Fall ‚kastrieren‘ zurufen. Im schlimmsten Fall ‚aufhängen‘. Jeder lässt sich von seinen Gefühlen mitreißen, wenn das Geschehen das eigene Leben berührt. Ich habe es noch nie anders erfahren.“

„Wir sitzen in Sprechzimmer zwei. Hinter Dr. Greten steht aufgereiht in den deckenhohen, weißen Regalen das gesammelte Wissen ihres Berufsstandes. Wie immer wollen sie dem Betrachter weismachen, dass ihr Besitzer mit all ihrem Inhalt vertraut ist.“

Persönliche Bewertung

Bewegender und sehr gelungen erzählter Krimi mit psychologischer Tiefe

5 von 5

„Anna – Ein Kindsmord“ erscheint in der Edition Korit im kleinen Projekteverlag Cornelius aus Halle. Ensprechend gering ist die Aufmerksamkeit, ebenso unscheinbar das Cover. Das täuscht jedoch und tut dem Buch Unrecht, darum gleich vorweg: Man sollte sich in keinem Fall von dem recht schlichten Cover täuschen lassen – diese Kriminalgeschichte hätte ebenso gut in einem größeren Verlag erscheinen können.

Ditmar Doerner erzählt seine Geschichte aus der Perspektive der Kommissarin Margot Lukas, die dem Geschehen durch die Ich-Perspektive eine Nähe verleiht, die angesichts des Inhalts besonders bewegt. Der Leser sieht das Horrorszenario durch Margots Augen, bewertet es durch ihre Gedanken, muss sich mit ihren Schlussfolgerungen und Beobachtungen auseinandersetzen. Das Thema des Buches ist ein sehr sensibles: ermordete, gequälte und vergewaltigte Kinder. Ein Buch mit einem solchen Thema kann keinen Lesespaß im herkömmlichen Sinn vermitteln, kann keine leichte Unterhaltungslektüre sein. Plumpe Action, seichtes Entertainment und sensationslüsterne blutrünstige Schreckensszenarien wird man darum zum Glück vergeblich suchen. Stattdessen fängt Autor Ditmar Doerner auf sensible Weise die Gefühle seiner Protagonistin ein. Eine Krinimalgeschichte, die auf intelligente Gedanken und psychologische Analysen setzt an Stelle von oberflächlicher Action.

Doerner schreibt auf hohem Niveau, vermeidet einen plumpen Spannungsaufbau, der bei einer solchen Konstellation unangebracht wäre, sondern erzeugt eine subtile Spannung. Trotz allen Grauens ist „Anna“ eine fesselnde Geschichte. Beunruhigend realistisch charakterisiert der Autor das Umfeld des ermordeten Kindes (die Grundlage der Handlung ist die traurige Geschichte eines realen Mordes an einem Mädchen). Niemand schaut hin, kaum jemand kümmert sich darum, was hinter der nächsten Tür geschieht, man versteckt sich hinter Vorschriften, hinter den eigenen Belangen, die so viel wichtiger sind als das Wohlergehen des Nächsten, auch wenn es ein Kind ist. Durch Margots Augen sieht sich der Leser mit einer schockierenden Emotionslosigkeit und einem fehlenden Unrechtsbewusstsein konfrontiert. Doerner lässt seine Leser einen Blick in die Abgründe der menschlichen Psyche sowohl von Tätern als auch von Mitwissern und Wegsehern werfen. Es geht um Egoismus und Ignoranz, um Profitgier und psychische Ausnahmezustände. Leser kommen nicht umhin, sich damit auseinanderzusetzen, wie sie sich selbst in dieser Situation verhalten hätten.

Ebenso interessant ist die Konstellation, die durch den grausamen Mord an Ruth Rist entsteht: Hier drängt sich die Frage auf, wie viel Mitleid angebracht ist, wenn jemand zu Lebzeiten solche Gräueltaten begangen hat, wenn der Täter selbst zum Opfer wird. Doerner analysiert darüber hinaus, wie der Tod eines unschuldigen Kindes die weiteren Morde in den Hintergrund treten lässt, wie eine solche Tat emotionalisiert und zeigt die Schwierigkeit, einen solchen Fall professionell und objektiv zu lösen. Psychologische Überlegungen dieser Art finden sich viele in „Anna“ – teils indirekt, teils explizit durch Margots Gedanken ausgesprochen – und genau das macht diesen Krimi besonders und lesenswert.

Fazit

Keine seichte Unterhaltung, sondern Hochspannung in einem intelligenten, anspruchsvoll erzählten Krimi, der aufrüttelt, betroffen macht und unbequeme Fragen aufwirft.

ISBN10
395486133X
ISBN13
9783954861330
Dt. Erstveröffentlichung
2012
Broschierte Ausgabe
270 Seiten